Es ist wie in einem Tennismatch: Auf einen starken Aufschlag folgt eine kräftige Rückhand. Spuckt Irans Präsident Ahmadinejad gegenüber seinen Erzfeinden, den USA und Israel, mal wieder Feuer und Asche, droht Tel Aviv dem fernen Nachbarn mit der Hölle auf Erden. Der Spielstand nach Jahren halbherziger Diplomatie: Unentschieden. Iran hat Israel nicht von der Landkarte gelöscht. Und der Westen hat (noch) nicht nachweisen können, dass Teheran in absehbarer Zeit die Atombombe besitzen könnte. Offiziell bestreitet die iranische Führung, ihr Atomprogramm für militärische Zwecke nutzen zu wollen.Mir wäre nicht bekannt, dass Ehud Olmert erklärt hätte, es stehe auf seiner Agenda, den Iran von der Landkarte zu wischen. Die iranischen Drohungen werden hier ganz neutral unter den Tisch gekehrt, indem unterstellt wird, die USA und Israel seien nicht besser als die Mullahs. Ausgewogenheit bedeutet allen dasselbe vorzuwerfen. Die Behauptung, es sei dem Westen nicht gelungen, nachzuweisen, dass der Iran "in absehbarer Zeit die Atombombe besitzen könnte", zeigt was die Konsequenz einer solchen Neutralität ist: Der "Beweis", der hier gefordert wird, ist erst dann erbracht, wenn Teheran Atomwaffen gebaut hat. Alles andere wäre dem NZZ-Journalisten einseitige Berichterstattung.
Der Held der NZZ und aller anderen Verfechter von Ausgewogenheit ist Mohamed ElBaradei:
Sozusagen als Schiedsrichter dieses langwierigen politischen Matches zwischen dem Westen und Iran fungiert Mohammad al-Baradei, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA. Die Aufgabe des IAEA-Obersten ist es, den Missbrauch von Atomenergie für militärische Zwecke zu verhindern und die maximalen Sicherheitsstandards bei friedlicher Nutzung der Atomenergie zu garantieren.In der Haltung von ElBaradei, meint man die eigene Position zu erkennen. Er befinde sich dort, wo man sich selbst imaginiert, nämlich "Zwischen den Fronten". Und tatsächlich ist der Chef der IAEA so neutral, wie die Redaktion der NZZ:
IAEA-Chef Mohamed ElBaradei will dem Iran im Atomkonflikt den Willen zu Zusammenarbeit und Transparenz bescheinigen. ElBaradei werde vor dem Gouverneursrat der UN-Kontrollbehörde darlegen, dass die Islamische Republik Fragen nach ihrem Atomprogramm hinreichend beantwortet habe, sagte ein UN-Vertreter der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag.Plötzlich geht es nicht mehr darum, dass man in Teheran dazu aufruft, Israel zu zerstören und gleichzeitig immer wieder durchblicken läßt, dieses Ziel sei am besten mit Atomwaffen zu erreichen. Es wird vergessen, dass in Teheran ganz konkrete Spekulationen darüber angestellt wurden, welche Auswirkungen ein nuklearer Krieg auf den Iran und Israel haben würden: Der Iran sei so groß, dass er den Abwurf einer Atombombe überleben werde. Der jüdische Staat ist hingegen sehr klein und würde gänzlich zerstört werden. Dass die Mullahs im Iran Fatwas zum legalen Gebrauch von Atomwaffen verabschieden, dass Ahmadinedjad mit seinen Zentrifugen prahlt und dass er immer wieder Drohungen ausstößt -- all das ist den neutralen Beobachtern egal. Wichtig ist nur, dass die Mullahs Fragen zu ihrem Atomprogramm "hinreichend beantwortet haben".
Als die Deutschen damit begannen, den Juden ihr Eigentum zu stehlen und sie zu vertreiben, drängte man in der Schweiz darauf, jüdische Pässe mit einem großen "J" zu versehen. Man war neutral und wollte sich in die "Auseinenadersetzung" zwischen Deutschen und Juden nicht einmischen. Den Holocaust hat man dadurch nicht verhindert, aber den eigenen Kopf konnte man aus der Schlinge ziehen. Weil andere Staaten den Nationalsozialismus bekämpften und niederschlugen, konnte man in der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges in Ruhe Skilaufen und sich an Rösti und Älplermagronen erfreuen. Das ist auch heute noch der Hintergrund der so moralisch auftretenden Neutralität.
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