6/20/2009

Nieder mit der Islamischen Republik!

Die Situation im Iran erinnert an die Islamische Revolution. Anders als heute, wusste man damals sehr genau, wer Ende 1977 auf die Strasse ging. Das waren liberale Reformer, die ein demokratisches Iran forderten. Erst Anfang des Jahres 1978, als der Schah anfing die Proteste zu unterdrücken, kamen die Mullahs aus ihren Moscheen gekrochen und gaben der ganzen Bewegung einen religiösen Anstrich. Mit einem Mal wurden die Proteste gegen den Schah islamisch. Zunächst drückte sich das in den Inhalten aus, die auf den Demonstrationen vermittelt wurden. Anstelle der Forderung nach Mitbestimmung und ein Ende der Repression trat die Parole "Tod dem Schah!" Der gemeinsame Feind wurde zunehmend antisemitisch dämonisiert und die Forderungen der Revolutionäre wurden immer ausländerfeindlicher, homophober und antiamerikanischer. Nun wusste man nicht mehr, wer im Iran auf die Straße ging. Über der gesamten Bewegung lag ein Nebel. Obwohl bekannt war, dass es alle möglichen Gegner des Schahs gab, verschwanden sie hinter den religiösen Inhalten. Die Opposition hielt es für notwendig Einheit zu demonstrieren und ihr säkularer Teil bemerkte viel zu spät, dass systematisch gegen unverschleierte Frauen, Ausländer und sogenannte Zionisten gehetzt wurde.

Damals befand sich der Iran in einer Situation, von der niemand wusste wie sie ausgehen würde. Es war möglich, dass der Schah das Militär zum Einsatz bringen würde, um die Proteste damit im Keim zu ersticken. Ebenso gab es die Aussicht auf einen demokratischen Iran, der von den liberalen Reformern geführt werden würde, die sich freie Wahlen und ein Ende der Repression wünschten. Dass sich Khomeini durchsetzen würde, war damals für die wenigsten zu erkennen. Im Westen war der Ayatollah viel zu unbekannt, als dass man sich für seine Schriften interessiert hätte. Anstatt nachzulesen, was der neue Führer der Revolution in seinen Büchern und Ansprachen von sich gegeben hatte - und was seine Anhänger im Iran täglich wiederholten - begnügte man sich mit den Interviews, die Chomeini vor einem westlichen Publikum in seinem pariser Exil gehalten hatte. Im Iran glaubte man an die Einheit der Opposition und vergass, dass man mit religiösen Fanatikern gemeinsame Sache machte.

Heute liegt ebenfalls ein Schleier über den Protesten gegen die Wahlen. Niemand kann sagen, was in den nächsten Tagen im Iran passieren wird. Es ist möglich, dass die Islamische Republik den Widerstand gewaltsam unterdrückt und ein Blutbad veranstaltet. Ebenso wäre es denkbar, dass die Anhänger von Mussavi sich durchsetzen, der die Islamische Republik zwar erhalten, aber reformieren würde. In diesem Falle würde der Staat weiterhin nach der Atombombe streben, den Westen verachten und gegen Israel hetzen, aber eben unter dem Label "moderat".

Wer es ist, der da in Teheran auf die Straße geht, ist ebenfalls unbekannt. Man weiß, dass die Anhänger Mussavis unter den Menschen sind, die da so Mutig gegen die islamische Diktatur protestieren, man weiß von linken Regimegegnern, von Demokraten und Nationalisten und man kann sich sicher sein, dass auch Leute darunter sind, die vollkommen unpolitisch sind, aber einfach die Schnauze voll haben vom Tugendterror der Islamisten. Im Internet kann man hören, wie auf den Demonstationen "Allah-i-Akhbar" in die Nacht geschrien wird, wie - in einer Abwandlung der alten Parole "Tod dem Schah!" - der Kampfruf "Tod der Diktatur!" erschallt und wie einige Leute fordern: "Nieder mit den Taliban, in Kabul und in Teheran!" Im Moment herrscht Unklarheit und das einzige was wir wahrnehmen können sind die Massen, die dort auf die Straße gehen.

Das Regime von Ahmadinedschad und Khamenei befindet sich in einer Krise und das ist auf jedem Fall zu begrüßen, egal wer im Iran auf die Straße geht. Alles, was die islamistische Theokratie schwächt ist gut. Allerdings sollte man nicht so tun, als sei es vollkommen unproblematisch, wenn im Iran religiöser Schwachsinn in die Nacht geschrieen wird. Dass solche Parolen harmlos seien, haben die säkularen Gegner des Schahs 1979 auch gedacht und mussten diesen Fehler schließlich bitter bezahlen.

Im Moment befindet sich die Bewegung gegen Ahmadinedjad in einem Stadium, in dem man ihr solche Parolen gerne als Jugendsünden abtut. Es geht schließlich darum, die Diktatur zu stürzen. Bis die Terrortruppen des Regimes besiegt wurden, wird sich der Nebel im Iran nicht lichten, denn bis zu diesem Zeitpunkt müssen alle Gegner des Regimes an einem Strang ziehen. Erst wenn es so weit gekommen ist, wird sich zeigen, welchen Charakter diese Bewegung tatsächlich hat und ob es ihr gelingen wird, die Theokratie durch etwas besseres zu ersetzen.

Anders als die Demonstranten im Iran müssen diejenigen, die diesen Protest von außen unterstützen deutlich machen, dass sie nichts mit der Islamischen Republik zu tun haben wollen. Obwohl es gilt, sich mit dem Widerstand im Iran solidarisch zu zeigen, ist es notwendig, diese Solidarität von Anfang an an Bedingungen zu knüpfen. Die Wahlen der Islamischen Republik dürfen nicht anerkannt werden und müssen unter demokratischen Bedingungen wiederholt werden, ohne dass ein Wächterrat darüber entscheidet wer kandidieren darf. Die politischen Gefangenen müssen aus den Gefängnissen entlassen werden und der Repressionsapparat des Regimes muss zerschlagen werden. Mit einem Typen wie Mussavi ist ebenso wenig ein demokratischer Iran zu machen, wie mit einem Khamenei oder einem Ahmadinedschad. Die Proteste müssen genau den umgekehrten Weg einschlagen wie die Revolution von 1979. Wenn sie schon mit diesem fürchterlichen Allah-i-Akhbar-Geschrei beginnen, sollen sie wenigstens mit einem säkularen, demokratischen und liberalen Iran aufhören.

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