6/23/2009

Hinter den Kulissen

Die Brüche innerhalb des Mullah-Regimes, zeichnen sich immer deutlicher ab. Dass die religiöse Klasse im Iran gespalten ist, hat sich nicht erst in den letzten Tagen gezeigt. Mittlerweile kann man es allerdings regelrecht knacken hören. Heute gab es nicht nur Berichte über die Rolle von Ali Laridschani, der Parlamentspräsident, der hierzulande einigermaßen bekannt ist, weil er die Europäer in den Verhandlungen über das Atomprogramm erfolgreich hingehalten hat. Über ihn heißt es, er wisse nicht genau, was er eigentlich möchte und sei bereit sich auf die Seite derjenigen zu schlagen, die sich am Ende durchsetzen werden. Außerdem gibt es erste Anzeichen für einem Richtungskampf in den Revolutionsgarden und auch einige Ulama haben ihre Karten heute auf den Tisch gelegt.

Die Herrscher im Iran werden zum größten Teil von verbitterten alten Männern mit langen Bärten gestellt, die sich gegenseitig nicht ausstehen können. Obwohl sie so tun, als hätten sie nichts anderes im Sinn als den wahren Glauben, weiß doch jeder besser als der andere, was Allah gerne möchte. Und da Gott bekanntlich nur eine Wahrheit kennt, ist der Streit vorprogrammiert. Deshalb ist man sich in der Islamischen Republik seit je an die Gurgel gegangen. Bereits im Vorfeld der iranischen Parlamentswahlen zerfiel die herrschende Klasse in zwei Teile. Auf der einen Seite steht Ahmadinedschad mit seinem radikalen Messianismus. Er wird von Khamenei, der die eigentliche Macht im Staat besitzt, unterstützt. Ihnen gegenüber steht das konservative Lager von Rafsandschani, Karrubi und Mussavi, die die alte Garde der Khomeinisten repräsentieren und sich mit den letzten Resten der Regimetreuen Reformer um Khatami verbündet haben. Im Verlauf der Wahlen und in den stürmischen Tagen danach, haben sich diese Gegensätze vertieft. Im Moment sieht es so aus, als seien die Proteste im Iran davon motiviert, dass ein Teil des Regimes, dem anderen das Wasser abgraben möchte.

In diesem Machtkampf werden die Demonstranten als Marionetten im großen Spiel der alten Männer gehandelt. Sie werden instrumentalisiert, um das Regime Ahmadinedjads zugunsten einer "gemäßigten" Diktatur zu ersetzen. Im Moment sieht es so aus, als würden Mussavi und Konsorten für die Protestbewegung im Iran eine entscheidende Rolle spielen. Auf jedem Fall versucht er, Khamenei und Ahmadinedjad mit Hilfe der Demonstrationen und eines großangelegten Streiks zu Fall zu bringen. Soviel zu den Machtkämpfen im innern des Regimes.

Wie ich schon so oft geschrieben habe, liegt im Moment ein Nebel über den wahren Zielen des Aufstands im Iran. Weshalb die Massen in Teheran auf die Straßen stürmen, lässt sich von hier aus nicht sagen. Dennoch ist nicht davon ausgehen, dass die Leute im Iran dumm genug sind, um sich nach Pseudowahlen über Wahlbetrug zu empören. Selbst dem letzten Idioten dürfte klar sein, um was für eine Veranstaltung es sich da gehandelt hat.

Die Demonstrationen sind mehr als nur Schützenhilfe für Mussavi und die Leute, die im Iran protestieren haben eigene Interessen, das Regime Khameneis zu Fall zu bringen. Und da sich die herrschende Klasse im Iran mächtig in den Haaren hat, ist die Gelegenheit günstig, eine dritte Partei einzuführen. All diejenigen, die die Nase voll davon haben, dass die Regierung es verbietet Alkohol zu trinken, Homosexualität unter Todesstrafe stellt, Frauen in den Schleier zwingt und ihnen auch sonst das Recht auf ein freies und selbstbestimmtes Leben verweigert.

Es liegt durchaus im Bereich des möglichen, dass sich die Massen - sollte es überhaupt so weit kommen - am Ende durch ein paar schöne Worte von Mussavi zum schweigen bringen lassen und ein Regime der Islamisten ein weiteres Mal akzeptieren. Andererseits - und darauf ist zu hoffen - haben die Menschen im Iran 30 Jahre fürchterliche Diktatur erfahren und nach allem was man von den Demonstrationen hört, sehnen sie sich nach Freiheit. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass sie - sobald ihnen klar wird, über welche Macht sie verfügen - sich nicht mit der "gemäßigten" Herrschaft von Mussavi und seinen Verbündeten nicht zufrieden geben und weitergehende Forderungen stellen. Und da es diese Möglichkeit gibt, bleibt nichts anderes übrig, als die Dinge positiv zu sehen und darauf zu hoffen, dass der Aufstand im Iran sich in eine Revolution verwandelt, die das Mullahregime zu Fall bringt und etwas besseres an seine Stelle setzt. Eines steht fest: Schlimmer, als es ohnehin schon ist, kann es nicht werden. Das schlimmste von allem wäre eine Fortsetzung des Status Quo unter dem Label Moderat.

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