6/28/2009

Der Stand der Dinge im Iran

In den letzten Tagen sind die Informationen aus dem Iran spärlicher geworden. Es wird immer schwieriger den Videos, die bei youtube erscheinen dem richtigen Datum zuzuordnen, Twitter war von Anfang an eine Gerüchteküche und mit den immer weiter um sich greifenden Verhaftungswellen gibt es immer weniger zuverlässige Nachrichtenquellen. Darüber hinaus hat die Regierung die Anstrengungen verstärkt das Land von der Außenwelt abzuschneiden. Über dem Aufstand im Iran mag Nebel liegen. Es lassen sich trotzdem ein paar Dinge festhalten:

Obwohl die Meldungen aus dem Iran seit einigen Tagen immer seltener werden, dauert der Aufstand an. Nach wie vor werden Oppositionelle verhaftet, Proteste organisiert und immer wieder kommt es zu Angriffen der regimetreuen Milizen gegen die Bevölkerung. Trotzdem ist es ruhiger geworden. Von riesigen Massenversammlungen, wie sie auf den Videos am letzten Samstag zu sehen sind, war bis gestern nichts zu hören.

Das hat vermutlich zwei Gründe. Zum einen sind wahnsinnig viele Bassidj und andere Truppen des Regimes zeigen in Teheran massiv Präsenz. Es wird immer gefährlicher das Haus zu verlassen. Zum anderen haben Mussavi und Karrubi, die zumindest im Moment von den Demonstranten im Iran als Führer wahrgenommen werden, ihren Kampf um die Macht ins innere des Systems verlagert und haben deshalb nicht mehr zu zentralen Demonstrationen aufgerufen. Die Menschen im Iran haben aber nicht aufgehört, ihren Widerstand gegen das Regime Ahmadinedschads zu äußern. Nachts stehen sie auf ihren Dächern und rufen "Margh bar Diktator" und "Allah Akbar" in die Straßen. Auch dagegen gehen die Regimemilizen angeblich vor. Es gibt einige Berichte über Angriffe gegen Personen, die auf diesem Weg ihren Unmut zum Ausdruck brachten.

Nun wird über Twitter die Meldung verbreitet, bei einer von dem Regime erlaubten Demonstration seien heute 700.000 Personen auf der Straße gewesen. An anderer Stelle wird lediglich von 50.000 Menschen gesprochen, vielleicht waren es noch weniger. Diese Informationen wurden von einigen Videos begleitet, die angeblich heute aufgenommen wurden:







[Die Parolen, die auf diesen Videos gerufen werden sind zumindest teilweise, höchst problematisch. In dem Slogen "Mir Hussein, Ya Hussein" wird Mussavi mit dem dritten Schiitischen Imam verglichen, dessen vermeintlicher Märtyrertod eine bedeutende Rolle in der Propaganda der Islamischen Revolution gespielt hat.]

Es hat länger gedauert als ein Jahr, den Schah 1979 zu Fall zu bringen. Die Demonstrationen der Islamischen Revolution folgten seit Frühjahr 1978 einem Zyklus von 40 Tagen und orientierten sich damit an der traditionell festgelegten Trauerzeit. An die "Märtyrer", die in den Protesten gegen das Schah-Regime produziert wurden, dachte man in Gedenkdemonstrationen, in denen erneut Leute von den Regierungstruppen erschossen wurden. Die Massen waren nicht durchgehend auf der Straße, sondern fanden sich lediglich in einem Abstand von 40 Tagen zu gewaltigen Mengen zusammen, um gegen den Schah zu demonstrieren. Flankiert wurden diese Demonstrationen von massiven Streiks. Allmählich zog der Aufstand immer weitere Kreise und mündete in die Revolution, die sich nach dem Sturz der Monarchie vollziehen sollte.

Auch die jetzigen Proteste dauern an. Wenn es zutrifft, dass die nächtlichen Schreie - wie an mehreren Orten behauptet wird - nicht abgenommen haben, ist davon auszugehen, dass die iranischen Massen auch in der nächsten Zeit ähnliche Bilder produzieren, wie in den letzten Tagen. Früher oder später wird sich auch zeigen, in welche Richtung der Aufstand sich inhaltlich entwickelt. Ob er tatsächlich zu einem freien - das heißt säkularen - Iran führt, bloß einen Wechsel in der Führung des unterdrückerischen Regimes bewirkt oder nicht einmal stark genug ist, um Khamenei zu stürzen, läßt sich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.

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