2/22/2009

Einige Bemerkungen über die Iran-Politik Obamas

Bisher habe ich mich nicht über Obama geäußert. Als Nicht-US-Bürger hatte ich ohnehin keinen Einfluss auf die Wahlen und was eine Beurteilung des neuen Präsidenten angeht, ist man auf der sicheren Seite wenn man sich erst dann über seine Politik beschwert, wenn es jenseits von leerem Gerede etwas gibt worüber man sich ärgern kann. Da die unangenehmen Meldungen aus Washington zunehmen, kann ich mich nun guten Gewissens aus dem Fenster lehnen und schimpfen:

Die Vereinigten Staaten befinden sich auf dem besten Weg zur Appeasementpolitik gegenüber dem Iran. Als Mr. President der Meinung war, den Mullahs die Hand entgegenstrecken zu müssen, konnte man sich noch darauf verlassen, dass man in Teheran den Mittelfinger erheben würde. So falsch dieses Signal aus Washington auch gewesen sein mag: es war einfach davon ausgehen, dass es sich um einen Schritt handelt, der von niemandem ernst genommen wird.

Anders sieht es mit der Politik der neuen US-Administration gegenüber Syrien aus. Im Gegensatz zum Iran, wo man sich - zumindest in der Öffentlichkeit - bisher auf schöne Worte beschränkt hat, werden die Sanktionen gegen das Assad-Regime nach und nach aufgehoben. Soetwas beginnt selbstverständlich mit ganz harmlosen Schritten, wie dem Verkauf von zivilen Flugzeugen und dem Transfer von Spendengeldern für krebskranke Kinder, läuft im Endeffekt aber auf die Kollaboration mit einem Regime hinaus, das nach Kräften chemische Waffen produziert, vermutlich weil der Versuch an Atomwaffen zu gelangen vor kurzem von Israel unterbunden wurde. Dass Obama plant auch militärische mit Syrien zusammenzuarbeiten wird zumindest schon angekündigt.

Im besten Falle ist all dies ein Versuch, das Baath-Regime aus der Allianz mit dem Iran herauszulösen. Dass dies aber gelingen soll, indem man dem engsten Verbündeten der Mullahs militärische Hilfe in Aussicht stellt, ist mehr als fraglich. Viel wahrscheinlicher ist es, dass syrische Waffen früher oder später auf dem ein oder anderen Wege gegen Israel eingesetzt werden und am Ende auch gegen US-Soldaten. Dass die amerikanische Armee im Irak Al-Qaeda-Kämpfern gegenübersteht, denen die Einreise über Syrien ermöglicht wurde, ist schließlich kein Geheimnis.

Aber auch mit dem Iran ist man auf jedem Fall dann bereit zusammenzuarbeiten, wenn die Kooperation im Rahmen der UN stattfindet. Die zweite UN-Antirassismuskonferenz in Durban, die zu einer noch schlimmeren antisemitischen Hassveranstaltung zu werden droht als ihr Vorgänger, wird unter Beteiligung der USA vorbereitet. Dass die Ausrichtung der mittlerweile unter iranischer Führung veranstalteten Konferenz durch die amerikanische Mitarbeit verändert werden könnte ist zweifelhaft. Im Gegenteil: die US-Beteiligung verleiht dieser Veranstaltung nur noch größere Legitimität als sie es ohnehin bereits besitzt. Beängstigend ist es allemal, dass die Obama-Administration nichts dagegen hat, mit einem Haufen von Antisemiten über die folgenden Punkte zu diskutieren:
  • the "law of return" - the core of the self-determination of the Jewish people or Zionism - is racist
  • Israel is guilty of crimes against humanity and "a contemporary form of apartheid"
  • Israel's security fence is a "segregation wall"
  • a provision condemning Israel's actions in Gaza
  • while Israel is repeatedly condemned, not one of the other 191 UN states is mentioned
  • a proposal to delete reference to the numbers of Jews murdered in the Holocaust - on the grounds that it is questionable
  • a claim that "religions" - as opposed to individuals - can be "defamed"
  • provisions curtailing free speech - "abuse of freedom of expression"
  • efforts to limit and govern the media by "a code of ethical conduct"
  • creation of a hierarchy of victims, with Muslim minorities on top - "most disturbing phenomenon is the intellectual and ideological validation of Islamophobia"
  • efforts to trump universal rights and freedoms by references to cultural diversity, "cultural particularities," religious and cultural "identities"
  • undermining counterterrorism activities by alleging they increase racism
  • challenges to any responsibility for the trans-Saharan slave trade and the slave trade in the Indian Ocean
  • introducing "anti-Arabism" as intolerance against a religious minority
  • attempting to introduce laws against "projecting negative, insulting and derogatory images of religions and religious personalities"
  • calls for new laws endangering rights and freedoms, such as, laws on "respect for human rights and reputation, public morals, and incitement to racial and religious hatred and freedom of expression"
Als ob das nicht ausreichen würde, hat die neuste US-Diplomatieoffensive im Gazastreifen den Grundsatz, nicht mit Terroristen zu verhandeln, nun endgültig über Bord geworfen. Eine gemeinsame Regierung von Hamas und Fatah wurde dieses Wochenende von der US-Regierung befürwortet.

Das sind beängstigende Signale, die alle darauf hinauslaufen, dass man sich in Washington weder am Terrorismus der Hamas, noch am geheimen Krieg der Syrer gegen Israel und die USA stört. Was auch immer die Obama-Administration bringen mag: Der Beginn der Amtszeit des neuen Präsidenten lässt das schlimmste befürchten.

Nachtrag:
Ich sehe gerade, dass beim Wadi-Blog eine ähnliche Meinung vertreten wird. Über die Feststellung, dass die Obama-Administration sich für eine Fatah-Hamas-Regierung einsetze weil eine solche die Stabilität in der Region fördere, heißt es dort: "Ihr Zauberwort: Stability. Nicht Demokratie, nicht Wandel, nicht Freiheit, nichts davon, nein Stabilitaet, um jeden Preis mit jedem. Nur: das funktioniert nicht. Ein paar tausend oder hunderttausend Tote spaeter - von all den verpassten Chancen nicht zu reden - werden auch sie es einsehen, nur eben einmal mehr zu spaet. Es scheint wirklich ganz so, als gestalte sich die Nahostpolitik Obamas noch schlimmer, als selbst Pessimisten befuerchtet haben."
Und auch von den Vorbereitungen für Durban II hört man neues: "Durban II draft document 'getting worse'".

7 comments:

Anonymous said...

Die Sorge um diese Entwicklung teile ich voll und ganz, bei aller negativen Erwartungen an Obama meinerseits bin ich entsetzt.

Durban zwei findet übrigens nicht in Durban, sondern in Genf statt.

Anonymous said...

"Der Iran ist dank der großartigen Führung des Schahs eine Insel der Stabilität."

Jimmy Carter 1978 zum Schah


Das scheint ja eine Tradition zu haben, bei den Demokraten.

Leonard Zelig said...

Hier gibt Carter lediglich die Ansicht zum Besten, die im Westen insgesamt vorherrschte. Man konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Khomeini und Konsorten die Macht an sich reißen könnten.

Wenn man nach schon Traditionslinien bei den Demokraten sucht, muss man sich anschauen, wie der gute Carter seinen Wahlkampf betrieben hat. Kurz vor der Revolution wurden alle möglichen Menschenrechtsberichte veröffentlicht, in denen das Regime des Schahs - mitunter auch zu Recht - angegriffen wurde. Carter hat sich hinter diese Berichte gestellt und den Schah unter Druck gesetzt. Die ersten oppositionellen Aktivitäten im Iran wurden dadurch ausgelöst. Obwohl die demokratische Administration im weiteren Verlauf der Revolution versuchte, diese Politik zu korrigieren, war es schon längst zu späte und die Mullahs waren auf dem Vormarsch.

Ich glaube, dass Carter und Brezinski ziemlichen Mist gebaut haben. Allerdings wird die Rolle der US-Regierung in der Literatur über den Iran oft überschätzt. Das Regime des Schahs stand nicht allein wegen mangelnder Unterstützung aus Washington auf wackeligen Beinen. Carter hat den Sturz des Schahs lediglich begünstigt.

Anonymous said...

Die Tatsache, dass Obama bereit ist, in einen Dialog mit als Antizionisten getarnten Antisemiten zu treten, ist mehr als nur großer Mist. Und in der Hinsicht tut es ihm Carter mit seinen Bemühungen, Verhandlungen zwischen Hamas und Israel zu arrangieren, im Grunde genommen gleich.

Und da sehe ich schon bei den beiden demokratischen Präsidenten eine Traditionslinie fataler Naivität.

Es war m.E. nach schon eine hoch einzuschätzende Rolle, die die U.S.A einnahmen. Nur war diese Rolle passiv und nicht eine lenkende Rolle. Denn was soll man oppositionellen Nationalisten und Antiimperialisten als vernünftiges Argument entgegensetzen, wenn diese das Heil allen Daseins in ihrer Nation sehen und glauben, hinter allem Übel, das sich innerhalb der Landesgrenze abspielt steckten letztendlich immer nur fremde Mächte. Gleiches wiederum mit dem religiösen Fundamentalismus der Mullahs, der bei der bildungsschwachen und streng religiösen Bevölkerungsschicht leichtes Spiel hatte. Die U.S.A waren letztlich immer nur die Projektionsfläche für die verschiedenen Formen dieses Wahns. Was auch immer die U.S.A unternommen hätten, wäre am Ende doch nur wieder von allen sich verfeindeten oppositionellen Gruppen ins Negative gewendet worden, die ein einfaches simples Feinbild brauchten.

Kein einziger Mensch, der sich als Iraner denkt, wird jemals die Hilfe der U.S.A offen beanspruchen und solche dann auch dankend in Anspruch nehmen. Das bedeutete nämlich, dass jener das Kunststück identitär und nicht-identitär zu denken vollbringen müsste. Die Affirmation identitären Denkens negiert nunmal ganz unbewußt und automatisch jede Möglichkeit kritischen Denkens. Einem Individuum lässt sich kritisches Denken nicht lehren, geschweigedenn einer Opposition.

Aber das wäre auch sicherlich nicht die Absicht eines Dialoges zwischen der U.S. Administration und den Mullahs in Teheran.

Feuervogel said...

Kartenhäuser können bis zu einem gewißen Grad auch stabil sein!

Anonymous said...

Kartenhäuser planen keinen Massenmord. Ansonsten können sie von mir aus bis in den Himmel wachsen.

Leonard Zelig said...

Die Teilnahme an der Durban-Konferenz wurde wieder abgesagt.

Das Zitat von Carter legt ja nahe, dass etwas ähnliches sei, sich an Durban zu beteiligen und die Gefahr der Islamischen Revolution zu unterschätzen. Deshalb habe ich gesagt: Wenn man im Jahr 1978 Traditionslinien suchen möchte, dann muss man woanders schauen.

Carters Gekuschel mit der Hamas lässt sich ebenso mit dem Appeasement Obamas gegenüber Syrien vergleichen, wie die Verhandlungen zwischen der Carter-Administration und den Islamisten in Teheran während der Revolution. Und das ist alles andere als eine "passive Rolle".

Über welche Kartenhäuser hier gesprochen wird, ist mir nicht so ganz klar. Ich glaube Outcast meint das Regime des Schahs, während Andre von den Mullahs spricht.