Das Institut nutzt seit jeher auf verschiedenen Feldern Kategorien und Befunde der Antisemitismusforschung zur Analyse anderer Vorurteile. Es verfolgt damit den vom Gründungs-Leiter Herbert A. Strauss gewiesenen Weg. Schon Strauss brachte in den achtziger Jahren die Ergebnisse seiner Forschungen – aber auch seine biographische Erfahrung als Überlebender nationalsozialistischer Verfolgung - in die Diskussion um deutsche Asylpolitik ein. Dabei ging und geht es nicht um Gleichsetzung verschiedener Kontexte, sondern um einen analytischen Transfer: Antisemitismus- und Vorurteilsforschung ist Spezialisierung für Dynamik und Funktionen von Feindbildern auf verschiedenen Aktionsfeldern.
Zunächst benötigt man einen Juden auf den man sich berufen kann. Weil es passieren könnte, dass Ilan Mor und Lala Süsskind nicht mitspielen wollen, sucht man sich jemanden, der bereits gestorben ist und deshalb nicht widerspricht. Am besten ist es selbstverständlich, wenn es sich um einen Überlebenden des Nationalsozialismus handelt, dessen "eigene biographische Erfahrung" sich als zusätzliches Argument verwenden lässt.
Dann überlegt man sich, womit Antisemitismus am ehesten zu vergleichen ist. Es bietet sich an, von "Vorurteilen" und "Feindbildern" zu sprechen, denn eine Ähnlichkeit kann da niemand so ohne weiteres abstreiten. So lässt sich zum Beispiel aus meiner Abneigung gegen Antisemitismusforscher ein "Ressentiment gegen andere Gruppen" konstruieren, das sich vermittelst eines "analytischen Transfers" mit dem Antisemitismus in eins setzen lässt.
Zugleich kann man all den lästigen Kritikern eins auswischen, die sich nicht an die Spielregeln des wissenschaftlichen Relativierens halten wollen. Man unterstellt ihnen einfach, unwissenschaftlich zu agieren und sich auf Mutmaßungen zu stützen:
Die Konferenz stellte die ersten Ergebnisse zur Diskussion und verstand sich als Anstoß einer Debatte. Wie die Reaktion der Konferenzteilnehmer zeigte, war diese Absicht erfolgreich. Böswillige Kommentatoren der Konferenz, die mehrheitlich nicht daran teilgenommen haben, stattdessen mit Mutmaßungen und Unterstellungen agieren, nutzen den Anlass zu Kampagnen auf einem Niveau, das nicht verhandlungsfähig ist.Am wichtigsten ist es jedoch, darauf hinzuweisen, dass man gar nicht die Absicht hat zu relativieren, sondern lediglich auf die "paradigmatische Funktion des Antisemitismus" hinweist:
Mit dem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandenen modernen Antisemitismus reagierten Teile der Bevölkerung auf einen als bedrohlich empfundenen gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel. Das Feindbild war, wie die Forschung zeigt, auch eine antimoderne Reaktion auf die Emanzipation der Juden, welche die Antisemiten rückgängig machen wollten. Man kann die pauschale Dämonisierung des Islam in der Gegenwart in Deutschland als eine Reaktion auf die Integration von Muslimen betrachten, in deren Verlauf die Bevölkerungsgruppe äußerlich sichtbarer wird, etwa durch den Bau von Moscheen. Im Streit um solche Projekte, das fällt vielen mit dem Antisemitismus des späten 19. Jahrhunderts vertrauten Beobachtern auf, wiederholen sich Motive deutscher Synagogendebatten. Am Zentrum für Antisemitismusforschung hat die Erörterung solcher Fragen ihren wissenschaftlichen Ort. Auch alle Formen des Antisemitismus, die im Kampf gegen Israel verwendet werden, stehen selbstverständlich weiterhin auf der Agenda des Zentrums. Die Wissenschaftlichkeit der Debatte wird sich darin ausdrücken, dass alle damit verbundenen Fragen frei erörtert werden können – gleich zu welchen differenzierten Antworten man kommt. Blitzdiagnosen, Kampagnen und Denkverbote sind nicht hilfreich. Ebenso wenig wie die Beleidigung dessen, der konträre Ansichten zu den eigenen hat oder Hass gegen Andersdenkende. Von politischen Attacken darf sich Wissenschaft nicht beeindrucken lassen.Wie absurd diese Argumentation ist, wird vor allem dann deutlich, wenn man die Gleichsetzung "Feindbild Muslim - Feindbild Jude" anders formuliert.
Bedienen wir uns eines Beispiels aus einem anderen Zweig der Wissenschaft. Vor einigen Jahren sagte der mittlerweile an der Universität Marburg tätige Leiter des hamburger Orientinstituts:
"Wir müssen dann auch einmal darüber nachdenken, was wir als Terrorismus bezeichnen wollen. Wenn wir sehen, wie israelische Panzer durch palästinensische Dörfer fahren und sich die verzweifelten Menschen mit Steinen wehren, dann müssen wir im Blick auf Warschau und im Blick auf den Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto auch fragen dürfen, war das nicht auch Terror?"Hätte Steinbach sich etwas klüger ausgedrückt und zum Beispiel behauptet, die palästinensischen Terroristen setzten sich gegen "Islamophobie" zur Wehr, hätte er sich auf ein paar Juden berufen, die ähnlichen Mist von sich gegeben haben (wie zum Beispiel Uri Avnery), hätte er seinen Gegnern die Wissenschaftlichkeit abgesprochen und betont, dass es ihm gar nicht darum gegangen wäre zu vergleichen, sondern die "paradigmatische Funktion des Antisemitismus" vermittelst eines "analytischen Transfers" zu verdeutlichen, vielleicht hätten Benz und Steinbach die Konferenz des Zentrums für Antisemitismusforschung dann gemeinsam vorbereiten können.
1 comment:
Hiho,
thx für die Aufarbeitung, hatte ich mich auch schon mal drüber gewundert.
Bis demnächst!
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