4/09/2008

"Kommunistenschwein"

Als nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten die ersten Kommunisten und vermeintlichen Kommunisten in die Konzentrationslager verschleppt wurden, bei denen es sich damals noch um improvisierte Einrichtungen der SA handelte, die der Folter und Erniedrigung der politischen Gegner dienten, hatte der Begriff "Kommunistenschwein" Hochkonjunktur. Leonhard R., der wegen seiner Mitgliedschaft bei der KPD in eine dieser frühen Folterstädten verschleppt wurde, in das SA-Heim in Troisdorf, erinnert sich an seine "Vernehmung" :
An einem Tag, da war der Polizeiwachtmeister Walter M[...] der Mann, der seine Kraft zeigte; ich wurde von ihm so mit der Hundepeitsche geschlagen, bis er nicht mehr konnte. Da kam Kommissar Gi[...] dran und dann M[...], bis beide erschöpft waren. Am Schluss sagte dieser Mann, als ich auf der Erde lag und alle Viere von mir streckte: "Dir Kommunistenschwein soll man den Kopf zermalmen!" und setzte mir den Fuss auf den Kopf.

Den ganzen Tag musste ich mit Gesicht und Fussspitzen und erhobenen Händen an der Wand stehen. Hier hatte man einen Spruch an die Wand geschrieben:

"Heil Hitler! Heil Moskau! Rot Front!"

Sagte ich "Heil Hitler!", so war die Antwort: "Du Kommunistenschwein wagst es, "Heil Hitler!" zu sagen?!"

[Dann] wurde ich gezwungen, den anderen Spruch zu lesen; diese Antwort lautete: "Du Kommunistenschwein wagst, dieses heute noch zu sagen?!" Dann gab es Prügel mit der Hundepeitsche.
In unzähligen Berichten von Überlebenden der Konzentrationslager wird beschrieben, welche Sprache die Deutschen in den KZ's benutzten. Karl Wagner, ein deutscher Kommunist, den die SS als Kapo im Konzentrationslager Dachau "einsetzte" und der diese Position dazu nutzte, anderen Häftlingen zu helfen, erinnert sich, wie er den deutschen Befehl verweigerte, einen Mitgefangenen zu schlagen:
Jarolin [der damalige Lagerführer von Dachau] gab mir den Befehl: 'Schlagen!' Ich antwortete: 'Ich schlage nicht!' Jarolin: 'Warum schlägst Du nicht?' Meine Antwort: 'Ich kann nicht schlagen!' Nun probierte es Jarolin mit dem Zuckerbrot: 'Versuch's,' befahl er. Meine Antwort: 'Ich schlage nicht!'' Jetzt spielte Jarolin den wilden Mann, zog die Pistole und brüllte: 'Du Kommunistenschwein, das habe ich doch gewußt!' In diesem Moment rechnete ich damit, abgeknallt zu werden. Ich riß meine Lagerältestenbinde vom Arm und warf sie auf den Bock. Jarolin aber drückte nicht ab, er gab lediglich den Befehl, mich abzuführen. Ich wurde in den Arrestbau gebracht. Fünf Tage lang saß ich im Allacher [Allach war ein Nebenlager von Dachau] Bunker. Danach wurde ich nach Dachau gebracht und mit sechs Wochen Dunkelarrest bestraft. Anschließend erhielt ich 25 Stockhiebe.
Mit dem Schimpfwort "Kommunistenschwein" sollten die politischen Gegner der Nazis nicht nur entmenschlicht werden, sondern der Begriff knüpfte auch an die nationalsozialistische Gleichsetzung "der" Juden mit den Kommunisten an. Seit jeher ist es gute deutsche Tradition, die Juden mit Schweinen in Verbindung zu bringen, vermutlich weil man davon ausgeht, sie mit dieser Bezeichnung besonders kränken zu können. Davon wie üblich das Bild von der "Judensau" war, zeugen noch heute die unzähligen Steinskulpturen, die sich an allen möglichen Orten in Deutschland finden (auf dem Foto rechts: die "Judensau" an der Stadtkirche in Wittenberg).

Nach 1945 beschimpfte man politische Gegner in Deutschland weiterhin gerne als "Kommunistenschweine" und orientierte sich dabei weiterhin am Antisemitismus der Nazis. Als zum Beispiel Veith Harlan, der Regisseur des antisemitischen Hetzstreifens Jud Süss im Jahr 1949 in Hamburg angeklagt wurde, identifizierten sich viele Deutsche mit ihm und machten die Zeugen, die gegen ihn auftraten, zum Teil einer jüdisch-kommunistischen Weltverschwörung:
Harlan gelang es, sich als unpolitischen Künstler darzustellen. Für große Teile der Bevölkerung wurde er zur Symbolfigur. Zeugen, die gegen Harlan aussagten, wurden als "Judensau" und "Kommunistenschwein" beleidigt.
Nach wie vor wird der Begriff "Kommunistenschwein" nicht nur als Schimpfwort benutzt, sondern auch als Schlachtruf dem man jemandem an den Kopf wirft, den man am liebsten ermorden würde. Bevor Rudi Dutschke 1968 erschossen wurde, hatte ihn sein Angreifer als "dreckiges Kommunistenschwein" bezeichnet. Auch in den Verfassungsschutzberichten über rechte Gewalt taucht der Begriff immer wieder auf. Dort hieß es zum Beispiel im Jahr 2004:
Am 26. März schlugen in Nürnberg zwei 18- und 19-jährige Skinheads einen Deutschen nach einem Streitgespräch nieder, traten ihn mit Stiefeln und beschimpften ihn als „Kommunistenschwein“. Anschließend zwangen sie den Angegriffenen unter Androhung von Schlägen zur Herausgabe seines Handys. Als der Geschädigte sein Handy zurückforderte, schlugen die Skinheads weiter auf ihn ein. Das Opfer erlittPrellungen im Rücken- und Brustbereich sowie Verletzungen im Gesicht.
Und auf einer Seite über rechte Gewalt in Brandenburg wird aus der Stadt Lübben berichtet:
Ein 14-jähriger Jugendlicher wurde an einer Bushaltestelle als »Schwuchtel, Neger, Penner, Kommunistenschwein« angepöbelt und geschlagen. Er erlitt Verletzungen im Gesicht und an den Zähnen.
Ebenso, wie Leuten, die sich auf die DDR beziehen, bewusst sein sollte, was für einen antizionistischen Drecksstaat sie da in die Höhe halten, sollte man annehmen, dass bekennende Antikommunisten mit der Geschichte des Schimpfwortes "Kommunistenschwein" und dessen antisemitischen Implikationen vertraut sind: Wer sich als Antikommunist bezeichnet, sollte wissen, auf welche Tradition er sich da bezieht.

Bei den Freunden der Offenen Gesellschaft wird eine Diskussion über die Situation in China geführt, wo tibetanische Mönche gemeinsam mit anderen Aktivisten gegen die Zentralregierung kämpfen, weil sie ihren eigenen Staat haben wollen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die chinesischen "Sicherheitskräfte" nicht anders mit ihren mit ihren politischen Gegnern umgehen, als man es von ihnen erwarten würde. Wie man in China Aufstände bekämpft, dürfte allgemein bekannt sein und mit Sicherheit wäre es das beste, wenn das chinesische Regime durch eine demokratische Regierung ersetzt werden würde.

Die Auseinandersetzung bei den FdoG dreht sich in erster Linie darum, ob man den Widerstand gegen die chinesische Regierung unterstützen sollte. Immerhin gibt es gute Argumente dafür, dass es sich da um eine relativ zwielichte Bewegung handelt.

Um ehrlich zu sein habe ich mich in diese Diskussion bisher nicht eingemischt, weil ich zum einen viel zu wenig Ahnung habe und mir zum anderen weder China noch Tibet besonders am Herzen liegt. Worum es mir geht ist der Umstand, dass es bei den Freunden der offenen Gesellschaft Leute gibt, die plötzlich die Ansicht vertreten, man müsse nun den Antikommunismus hochalten. Ganz so, als wolle man deutlich machen, dass es sich dabei nicht einfach um eine Kritik am Kommunismus handelt, sondern dass da auch dumpfestes Ressentiment mit an die Oberfläche gespült wird, benutzt man nun auch auf einem der vernünftigsten Blogs, die es im deutschsprachigen Netz gibt, die Rede von den "Kommunistenschweinen": Da man sich etwas auf seine Englischkenntnisse einbildet spricht man ganz unverhohlen von "commie pigs".

Sorry Leute. Sonst kann ich wirklich viel mit eurem Blog anfangen, aber das geht zu weit. Mit soetwas transportiert ihr Ressentiments, die ihr als Anhänger einer offenen Gesellschaft eigentlich bekämpfen solltet. Und wenn ihr euch tatsächlich an den USA orientieren wollt, dann macht es wenigsten richtig und lest Captain America. Der hat seine Kinderkrankheit, den stumpfen Antikommunismus aus den 1950er Jahren, schon lange überwunden und hat den Commie Smasher als fiesen Betrüger entlarvt. Und trotzdem hat Cap mit Kommunisten nun wirklich gar nichts zu tun. Es ist schließlich auch möglich Kritik am Kommunismus zu haben, ohne ins Ressentiment abzugleiten.

2 comments:

Anonymous said...

Nur zur Info... Der Dutschke wurde nicht 1968 erschossen. Er wurde angeschossen. Er starb dann 1979 evtl. an den Spätfolgen... "Erschossen" assoziiert den Tod...

Michael Kleemann said...

Ihr Kommunistenschweine habt mich gerade als Judenschwein bezeichnet http://linksfaschisten.blogspot.de/2015/08/konsequent-sozial-fur-demokratie-und.html und wagt es diese scheiße ins Netz zu stellen?