4/03/2008

Die jüdischen Flüchtlinge aus den Arabischen Staaten: Anerkennung in den USA

Die Geschichte der jüdischen Gemeinde im Jemen ist eine lange Kette von Verfolgungen und Erniedrigungen. Die Dhimmi-Gesetzgebungen waren dort besonders streng: Die Juden mussten nicht nur wie in den anderen Arabischen Staaten eine speziell für Juden angefertigte Kleidung tragen, durften keine Synagogen bauen und hatten darauf zu achten, dass ihre Häuser kleiner waren, als die von Muslimen, sondern sie wurden auch gezwungen, Fäkalien und anderen Schmutz aus den muslimischen Wohngegenden zu entfernen. Vor allem waren sie aber den täglichen Erniedrigungen durch die muslimische Bevölkerung ausgesetzt: Es war üblich, sie auf offener Straße zu beleidigen und mit Steinen zu bewerfen.

Das Leben als Staatsbürger zweiter Klasse, die täglichen Demütigungen und die nicht abreissenden Verfolgungskampagnen machte das Leben für Juden im Jemen unerträglich. Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, dass die ersten Juden bereits im Jahr 1881 begannen nach Eretz Israel auszuwandern, wo sie auf ein besseres Leben hofften. Die jemenitischen Juden erreichten das gelobte Land nebenbei ein Jahr vor den ersten europäischen Siedlern, mit deren Ankunft der Beginn der jüdischen Einwanderung für gewöhnlich datiert wird.

Anfang des 20. Jahrhunderst wurde das Land von starken Hungersnöten, Kriegen und Aufständen erschüttert, unter denen die jüdische Bevölkerung am meisten zu leiden hatte. Als die von den Osmanen eingenommene Stadt Sanaa im Jahr 1905 von den aufständischen Truppen des schiitischen Imams Yahya Ibn Mohammed belagert wurde, verhungerten etwa 80% der jüdischen Bevölkerung. Die kurze Zeit der türkischen Herrschaft, die mit dem Ersten Weltkrieg beendet wurde, hatte für die Juden eine enorme Erleichterung bedeutet, weil die harten Dhimmi-Gesetze kurzzeitig aufgehoben und durch die wesentlich angenehmeren Bestimmungen des Osmanischen Reiches ersetzt wurden. Im Jahr 1918 wurden jedoch die alten erniedrigenden Regelungen wieder eingeführt.

Beinahe gleichzeitig wurde begonnen, die Juden aus ihrem traditionellen Berufen zu verdrängen. Das Gold- und Silberhandwerk wurde "nationalisiert", indem die Juden gezwungen wurden, ihre Fähigkeiten ihren muslimischen Nachbarn beizubringen. Nach demselben Muster wurden die Juden aus der Stoff- und Seifenproduktion, Färberei- und Bäckerhandwerk, Tabakproduktion, Schreinerei und Metallverarbeitung verdrängt und ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt. Auch bestimmte Handelszweige, in denen Juden tätig waren wurden "nationalisiert", wie zum Beispiel der Kaffeeexport.

Zur selben Zeit kam die muslimische Bevölkerung über den alljährlichen Hadsch mit den Arabern aus dem britischen Mandatsgebiet Palästina in Kontakt. Die Berichte über die Auseinandersetzungen in Israel motivierten die Antisemiten im Jemen offensiver aufzutreten und immer offener gegen die Juden zu hetzen. Gleichzeitig wurde der Jemen durch die arabischen Staaten und den Großmufti von Jerusalem unter Druck gesetzt, die immer weiter anwachsende Auswanderung der Juden nach Israel zu unterbinden.

Da die Engländer die Einwanderungsbeschränkungen verschärften, strömten die jemenitischen Juden nach Aden, das sich damals in britischem Besitz befand und warteten dort darauf, endlich nach Israel zu gelangen. Auch in Aden wurden die Juden vom Antisemitismus der muslimischen Bevölkerung bedroht: Im Januar 1932 wurde das jüdische Armenhaus in Aden von einigen musölimischen Jugendlichen mit Stöcken und Steinen angegriffen und im Mai desselben Jahres wurde das jüdische Viertel von einem aufgebrachten Mob geplüdert und im Jahr 1947 kam es anlässlich einer muslimischen Demonstration gegen den UN-Teilungsplan zu einem Pogrom, bei dem etwa 80 Juden ermordet wurden.

Mit der Entscheidung der israelischen Regierung, die jemenitischen Juden mit dem Ende des Befreiungskrieges von ihrem Schicksal zu befreien und sie nach Israel auszufliegen, setzte die Auswanderung aus dem Jemen erst Recht ein. Bis zum September 1947 wurden etwa 50.000 jemenitische Juden in einer abenteuerlichen Rettungskampagne in den neugegründeten Staat überführt.

Die Juden im Jemen waren die ersten Opfer einer großangelegten Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus den Arabischen Staaten. Der jemenitische Staat hatte den Juden regelrecht den Boden unter den Füßen weggezogen, indem die jahrhundertelange Diskriminierung und Verfolgung auch auf eine ökonomische Ebene gehoben wurden. Gleichzeitig erstarkte der islamische Antisemitismus im Windschatten des Nationalsozialismus und lieferte die Juden im Jemen auf Gedeih und Verderb dem Zorn ihrer arabischen Nachbarn aus.

Nicht anders verhielt es sich mit den Juden aus den anderen Arabischen Staaten, die nach Gründung Israels nach und nach aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Aus Ägypten, Algerien, Irak, Libanon, Lybien, Marokko, Syrien und Tunesien floh die jüdische Bevölkerung nach Israel. Insgesamt sollen etwa 850.000 Juden aus den Arabischen Staaten vertrieben worden sein, eine erschreckende Zahl, die von der folgenden Tabelle unterstützt wird.

Jewish Population in Arab Countries 1948-2001


1948 1958 1968 1976 2004
Aden
8,000 800 0 0 0
Algeria
140,000 130,000 1,500 1,000 Fewer than 100
Egypt
75,000 40,000 1,000 400 Fewer than 100
Iraq
135,000 6,000 2,500 350 Approx. 35
Lebanon
5,000 6,000 3,000 400 Fewer than 100
Libya
38,000 3,750 100 40 0
Morocco
265,000 200,000 50,000 18,000 5,500
Syria
30,000 5,000 4,000 4,500 Fewer than 100
Tunisia
105,000 80,000 10,000 7,000 1,500
Yemen
55,000 3,500 500 500 200
TOTAL
856,000 475,050 72,600 32,190 Approx. 7,635


Im Gegensatz zu den palästinensischen Flüchtlingen, die sich nach wie vor darüber definieren, dass sie vor mittlerweile 60 Jahren von den Israelis "vertrieben" wurden, ist das Schicksal der Juden aus den Arabischen Staaten relativ unbekannt. Während die Palästinenser Israel im Zuge des Krieges verließen, in dessen Verlauf es in einigen Fällen tatsächlich dazu kam, dass die neugegründete Armee Vertreibungsbefehle geben musste, weil sie die eingenommenen Gebiete anders nicht hätte halten können, musste die jüdische Bevölkerung lediglich deshalb aus ihrer Heimat fliehen, weil sie mit einer staatlich angelegten Vertreibungspolitik und dem Antisemitismus ihrer muslimischen Nachbarn konfrontiert wurde.

Weder bei den Vereinten Nationen, noch sonst irgendwo hat man sich bisher für diese Flüchtlinge interessiert. Ein umso wichtiger Schritt ist es deshalb, dass der US-Kongress das Schweigen über das Schicksal der vertriebenen Juden aus den Arabischen Staaten nun gebrochen hat:
In what may be the beginning of a dramatic shift in United States policy, the U.S. Congress passed House Resolution 185, which grants first-time-ever recognition to Jewish refugees from Arab countries.

Prior to the adoption of H.Res.185, all Resolutions on Middle East refugees referred only to Palestinians. This Resolution affirms that the U.S. government will now recognize that all victims of the Arab-Israeli conflict must be treated equally. It further urges that the President and U.S. officials participating in Middle East discussions to ensure that any reference to Palestinian refugees must: "also include a similarly explicit reference to the resolution of the issue of Jewish refugees from Arab countries."

The Resolution was introduced by Reps. Jerrold Nadler (D-NY), Ileana Ros-Lehtinen (R-FL), Joseph Crowley (D-NY) and Mike Ferguson (R-NJ). With the passing of this Resolution, Rep. Nadler stated, "We believe that as a member of the Quartet, and in light of the U.S. central and indispensable role in promoting Middle East 'just peace', the U.S. must reaffirm that it embraces a just and comprehensive approach to the issue of Middle East refugees."

Rep. Joseph Crowley said, "The world needs to understand that it is not just the Arabs and it's not just the Palestinians in the Middle East, but also Jewish people who themselves were dispossessed of their possessions and their homes, and were victims of terrorist acts. These are people who lived in Middle Eastern communities not for decades, but for thousands of years." Rep. Crowley added that the Resolution will, "bring light upon an issue that has been swept under the carpet."

"Discussions of Middle Eastern refugees invariably focus exclusively-and shortsightedly-on the plight of those of Palestinian descent," said Rep. Ros-Lehtinen. "Far fewer people are aware of the injustice faced by Jewish refugees from Arab lands and Iran. Many Jews saw their communities, which had existed vibrantly for centuries systematically dismantled. They lost their resources, their homes, and their heritage sites, fleeing in the face of persecution, pogroms, revolutions and brutal dictatorships."

Rep. Mike Ferguson said that there was very strong bi-partisan support for this issue which recognizes, "the plight of hundreds of thousands of Jewish refugees who were displaced from countries in the Middle East, Northern Africa and all around the Persian Gulf." Congressmen Ferguson acknowledged that the U.N. has never recognized Jewish refugees, and that this,"is completely unacceptable and long over due, and this is one of the things this Resolution seeks to address."

Malcolm Hoenlein, Executive Vice-President of the Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations commented, "the failure during all these years to recognize other refugees, compounded the indignation and the suffering and the deprivation of Jews in Arab countries. There was a systematic process of expulsion which the Arab governments engaged in." He added that the Resolution is not an obstacle to peace. "It is a distortion to talk only of one refugee population, as that would undermine the ultimate outcome of any negotiations. The Congressional action will educate a generation that know too little about the other refugees."

The passing of this Resolution is the strongest U.S. declaration on the rights of Jewish refugees that were displaced from Arab countries. H.Res.185 underscores the fact that Jews living in Arab countries suffered human rights violations, were uprooted from their homes, and were made refugees.

Stanley Urman, Executive Director of Justice for Jews from Arab Countries stated that, "Congress has restored truth to the Middle East narrative, by recommending equitable treatment of all Middle East refugees. Only in this fashion can there be movement from truth to justice, from justice to reconciliation, and from reconciliation to peace - between and among all peoples and states in the region."

Underscoring the importance of the Resolution, Rep. Nadler added, "When the Middle East peace process is discussed, Palestinian refugees are often addressed. However, Jewish refugees outnumbered Palestinian refugees, and their forced exile from Arab lands must not be omitted from public discussion on the peace process. It is simply not right to recognize the rights of Palestinian refugees without recognizing the rights of Jewish refugees."
Wollen wir hoffen, dass sich hier tatsächlich ein Wandel der US-Politik anbahnt. Die Vereinigten Staaten könnten zum Beispiel die Hälfte der vielen Gelder, die sie in die palästinensischen Gebiete pumpen, nach Israel umleiten, damit sich die Flüchtlinge von damals auch heute gegen antisemitische Angriffe schützen können. Schließlich ist bekannt, dass es den Arabischen Staaten nicht ausreicht, dass die Juden ihre Länder verlassen mussten: Sie würden den Staat, in den sie die Juden vertrieben haben, auch heute noch am liebsten dem Erdboden gleichmachen.


Weiterführende Informationen:
Ya'akov Meron: Why Jews Fled the Arab Countries
George E. Gruen: THE OTHER REFUGEES: JEWS OF THE ARAB WORLD
Justice for Jews from Arab Countries
The Scribe. JOURNAL OF BABYLONIAN JEWRY
The Forgotten Refugees

Die Informationen über die jemenitischen Juden stammen aus:
Ahroni, Reuben: Yemenite Jewry. Origins, Culture, and Literature. Indiana 1986
Parfitt, Tudor: The Road to Redemption. The Jews of the Yemen 1900-1950, New York, Köln, Leiden 1996

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