5/02/2009

Elektra bei den Taliban

Standing Ovations in der frankfurter Oper: "Bravo, bravo!" Das Publikum ist außer sich. Solch eine Begeisterung habe ich dort selten erlebt.

Um solch einen Effekt zu erzielen war es notwendig, die Geschichte von Elektra neu zu erzählen. Da die Rahmenhandlung nicht jedem bekannt sein dürfte, hier eine kurze Zusammenfassung: Elektra sinnt auf Rache, weil ihr Vater, Agamemnon, von ihrer Mutter (Klytämnestra) und deren Liebhaber (Aegisth) umgebracht wurde. Nach langem hin und hergesinge kommt ihr Bruder Orest vorbei und tötet die beiden. Darüber freut sich Elektra so sehr, dass sie in Ekstase gerät und tot umfällt.

Die frankfurter Inszenierung macht schnell deutlich, worum es geht: Elektra ist eine linke. Sie sitzt im ausgeblichenen Trainingsanzug auf der Bühne und hat eine Wursthaarfrisur. Klytämnestra hingegen ist mit dicken goldenen Klunkern behangen und trägt feine rote Samtklamotten. Umgeben ist sie von lauter Militärs, die Gefangene in Guantanamo-Häftlingskleidung in Schach halten. Angeordnet sind diese Gefangenen wie man das aus den Abu Ghraib-Bildern kennt. Sie haben schwarze Stofftüten über dem Kopf und einer von ihnen steht sogar willenlos auf einem Kubus in der Gegend herum.

Schließlich folgt der Auftritt von Taliban-Orest. Er trägt eine islamische Mütze (eine Takke) und hat sich eines dieser langen Hemden angezogen (einen Shalwar Kameez). Weshalb er außerdem Fischerweste und Trainingshose trägt bleibt wohl Geheimnis der Oper Frankfurt. Vielleicht dachte man, das würde ihn militanter aussehen lassen. Osama wäre stolz auf diesen Orest. Er bringt nicht bloß seine Mutter und ihren Nazi-Lover um (der plötzlich mit Bomberjacke und Glatze auf der Bühne steht) sondern auch sämtliche Militärs.

Am Ende der Oper werden dann große schwarze Leichensäcke von den (mittlerweile blutverschmierten) Guantanamo-Leuten auf die Bühne geschleppt. Elektra kommt angelaufen und tritt noch einmal kräftig gegen die Toten. Klytämnestra und Aegisth werden an der Decke aufgehängt und alle feiern ein Fest.

Elektras Schwester, Chrysothemis frohlockt im Angesicht der vielen Leichen:
"Gut sind die Götter! Gut! Es fängt ein Leben
für dich und mich und alle Menschen an."

Und Elektra singt:
"Ich trage die Last
des Glückes, und ich tanze vor euch her.
Wer glücklich ist wie wir, dem ziemt nur eins:
schweigen und tanzen!"

Kein Wunder, dass sich die johlende Menge so freut. Amis, so lautet das Fazit der Elektra-Oper in Frankfurt, muss man einfach umbringen. Möglichst brutal und martialisch, versteht sich, denn sie haben es nicht anders verdient. Die Amis sind nicht bloß Schuld am Tod von Agamemnon, sondern sind im allgemeinen fiese Militärs, die den ganzen Tag nichts besseres zu tun haben als Abu-Ghraib-gefolter in Guantanamo zu veranstalten. Außerdem arbeiten sie mit Nazis wie Aegisth zusammen. Erst wenn alle Amerikaner gestorben sind, kann die linke Elektra sich zu Tode freuen, Taliban-Orest darf einen Tanz aufführen und die Jungs aus Guantanamo dürfen Leichen schleppen.

Und wer mir nicht glauben möchte, dass die Leute im Frankfurter Opernhaus solch einen Scheiß seit 2004 immer wieder auf die Bühne bringen, der kann sich bei youtube einen Trailer anschauen. Hätte ich den mal vorher gefunden. Dann wäre ich gar nicht erst dort hingegangen. Aber daraus habe ich gelernt: Bloß weil die Karten spottbillig sind, geht man nicht einfach mal in die Oper, ohne sich vorher über die Inszenierung zu informieren.

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